In der Tat ist die Ukraine nochmal ein ganz anderer Kulturkreis und der Kulturschock zu China war sicher größer als wenn man aus Deutschland angereist wäre. Nach dem hinduistischen Indien, dem buddhistischen Taiwan und dem "kommunistischen"/modernen China reisen wir nun durch die orthodoxe Ukraine, die hier und da noch sehr an die alte Sowjetunion erinnert. Zum Beispiel, wenn wir in einer Unterkunft mit rauem "Sowjet-Charme" empfangen werden (d.h. man wird weder begrüßt noch angeschaut oder gar angelächelt). Auch an der Bus-Station wurden wir schon des Öfteren eher angebellt und hatten den Eindruck, wir müssten uns entschuldigen, weil wir die Person am Schalter stören... Service à la Sowjetunion.
Zum Glück können wir Kyrillisch lesen und etwas Russisch sprechen, da wir wie so oft auf unseren Reisen gerade in der Provinz mit Englisch nicht weiterkommen. Unterschied zu unseren vorherigen Zielen ist aber, dass manch einer von der alten Generation geschichtsbedingt Deutsch spricht. So kam es, dass wir beim Kaufen von köstlichen, frisch gepflückten Himbeeren zunächst auf Russisch/Ukrainisch gefragt wurden, ob wir Polen seien (wofür wir hier meist gehalten werden). Als wir von Deutschland sprachen, lächelte die Babuschka verschmitzt und stolz und sagte: "Sprechen Sie Deutsch?!". Dann reichte sie uns beiden die Hand und sagte: "Ich heiße Olga. Wie heißt Du?".
Olga ist ein gutes Beispiel für die unzähligen "Babuschkas", die hier landauf landab Obst und Gemüse - derzeit vor allem Beeren und Kirschen und sowieso immer die gern gegessenen Gurken - an Straßenrändern und auf Märkten für nur wenige Pfennige verkaufen. Wir genießen zwar die leckeren, absurd günstigen Früchte und kaufen sie sehr gerne bei diesen Damen. Andererseits ist es erschreckend und eher bedrückend, dass wir hier so viele zum Teil unheimlich alt aussehende Frauen sehen, die wegen viel zu niedriger Renten darauf angewiesen sind, alles mögliche auf der Straße zu verkaufen (z.B. 1kg Kirschen für 0,50 Cent).
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Typische "Babushkas" auf den Maerkten in der Ukraine |
In Kiew verbrachten wir die ersten drei Tage und waren vor allem von den vielen Kirchen, insbesondere der St. Andreas Kirche, dem Kievo-Pecherska Kloster und einigen besonderen Sowjet-Monumenten beeindruckt. Das Kievo-Pecherska-Kloster gilt als wichtigste religiöse Stätte der Ukraine und so eine Geschäftigkeit wie in den heiligen Schreinen, die in sehr engen Höhlen gelegen sind, war schon sehr besonders und hatten wir so noch nicht erlebt. Kiew hat zudem eine Sehenswürdigkeit der anderen Art zu bieten: die tiefste U-Bahn Station der Welt (105m tief). Eine Fahrt hinunter ist wirklich faszinierend und dauert mehrere Minuten auf zwei endlos wirkenden Rolltreppen. Diese sind insofern auch besonders, da sie um einiges schneller sind als man das sonst so gewöhnt ist, sodass man beim ersten Schritt das Gefühl hat, in den tiefen Tunnel gesaugt zu werden.
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Kievo-Pecherska-Kloster, Kiew, Ukraine |
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St. Michaels Kloster, Kiew, Ukraine |
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St. Andreas Kirche, Kiew, Ukraine |
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Denkmal zur Hungersnot in den 1920er/30er Jahren (auch "Stalin-Holocaust" genannt), Kiew, Ukraine |
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Motherland Monument, Kiew, Ukraine |
Nach einem Zwischenstopp in Uman war unser nächster großer Stopp in der Ukraine das schwarze Meer. In Odessa genossen wir bei ca. 30 Grad zwei Tage den erfreulich leeren Strand und das (für Nancy zu kalte) Meer. Außerdem gefiel uns Odessa auch als Stadt sehr gut: die belebte Innenstadt inkl. Fußgängerzone (und Riesen-Schlange!!! Arghhhh), die an Wien erinnernde Oper, die berühmten Potemkin-Treppen und nette Cafés/Restaurants. Da konnte uns sogar das kleinste (fensterlose) Zimmer der Reise nicht die Laune verderben.
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Oper von Odessa, Odessa, Ukraine |
Neben den Städte-Trips haben wir schon einige kleinere ukrainische Orte besucht: Uman, Khmelnitsky und Kamyanets-Podilsky. Letztes war sicher das Highlight, da der Ort eine wirklich schöne historische Altstadt, eine Burg und eine besondere Lage zu bieten hat. Die Altstadt ist wie eine Insel von einem kleinen Canyon umgeben und nur durch Brücken mit der Neustadt verbunden. Insbesondere bei den ländlichen Stopps fällt uns auf, wie unglaublich günstig das Reisen in der Ukraine bzw. wie gut das Preis-Leistungs-Verhältnis ist ("good value"!).
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Altstadt mit altem Rathaus, Kamyanets-Podilsky, Ukraine |
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Burg in Kamyanets-Podilsky, Ukraine |
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Burg in Kamyanets-Podilsky, Ukraine |
Vom Krieg im Osten der Ukraine kriegen wir als Touristen nichts mit und empfehlen daher jedem einen Besuch in diesem schönen Land. Die Ukrainer können wirklich jeden Euro sehr gut gebrauchen.